Sollten Frauen und Männer zusammenarbeiten?

Hier findet ihr eine Zusammenfassung der Idee, die hinter dem 1989 gegründeten TROTULA-Zentrum steckte — damals als Verein unter dem Namen „Feministisches Frauengesundheitszentrum TROTULA“ konstituiert, mit Sitz in der Schwarzspanierstrasse im 9. Wiener Gemeindebezirk. Nach 10 Jahren übersiedelte der Verein in die Widerhofergasse und 7 Jahre später kam es zu einer Aufteilung des Projekts: der Verein wurde umbenannt in „Frauen-Männer-Gesundheitszentrum TROTULA“ und hatte bis 2013 seinen neuen Sitz in der Althanstrasse. In der Widerhofergasse befindet sich bis heute die Feministische Frauengesundheitspraxis „Die Trotula“.

Seit 2014 befindet sich die Ärztliche Ordination „TROTULA Praxis“ von Dr. Judith Binder in der Josefstädterstrasse. Mehr dazu unter Geschichte

In den 70er Jahren wurden in Europa die ersten feministischen Frauengesundheitszentren gegründet. Die Philosophie dahinter war die, eine bewusst parteiliche Haltung „pro Frauen“ einzunehmen, um das Selbstbewusstsein und den Zusammenhalt von Frauen zu stärken. Die Unterdrückung und die Ausbeutung von Frauen durch gewisse Männer, durch gewisse männlich dominierte Strukturen und die unkritische Akzeptanz dieser Situation auch durch Frauen sollte hinterfragt und geändert werden.

von Dr. Judith Binder Trotula-Logo

gruppeFrauen erkämpften sich im wahrsten Sinn des Wortes ihre Rechte — das Wahlrecht, das Recht auf Bildung, das Recht, als menschliches Wesen angesehen zu werden, das Recht auf Mitsprache in allen öffentlichen und privaten Belangen — und dieser Kampf ist noch nicht zu Ende. Er richtet sich gegen einen Trend, der die letzten Jahrtausende immer stärker geworden ist und unter der Bezeichnung „Patriarchat“ zusammengefasst werden kann. Das Patriarchat ist gekennzeichnet durch eine überhebliche Haltung der Natur und Frauen gegenüber. „Teile und herrsche“ ist sein Motto. Durch Spaltung ist es ihm gelungen, einen Großteil der Menschheit in seinen Bann zu ziehen. Dualität ist sein Kennzeichen: arm — reich, weiß — schwarz, stark — schwach, Oberschicht — Unterschicht, gut — schlecht, ... nun sollen wir nicht mehr alle Menschen sein, die auf einer Erde wohnen, nein, wir sind Einzelwesen, die auf niemanden Rücksicht nehmen müssen und alles an uns raffen können, was wir in die Finger kriegen.

Die feministische Philosophie, so wie ich sie verstehe, ist eine Haltung, die sich bewusst und im Fall des Falles auch sehr scharf von den lebens- und frauenfeindlichen Machenschaften des Patriarchats distanziert. Damit steht sie auf der gleichen Seite wie die Ureinwohner Amerikas, allen voran die Hopi. Diese leben im Grenzgebiet von Colorado, Arizona, New Mexiko und Utah und gelten als „Volk des Friedens“. Sie hüten seit Jahrtausenden eine Prophezeiung, die sie in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts der Welt preisgaben. Diese erscheint mir so wichtig, dass ich in einem eigenen Artikel darauf eingehe. (siehe Hopi-Prophezeiung).

Aber auch viele andere Indianerstämme haben eine respektvolle, liebevolle Haltung zur Natur:

*„Wieso willst du mit Gewalt nehmen, was du friedlich bekommen kannst, durch Liebe? Warum tötest du die, die dich mit Nahrung versorgen? Was kannst du schon durch Krieg gewinnen?“ (Häuptling Powhatan, 17.Jhdt.) oder

*„Meine jungen Männer werden niemals arbeiten. Menschen, die arbeiten, können nicht träumen, und Weisheit kommt aus Träumen. Ihr verlangt, dass ich nach Steinen graben soll? Soll ich unter der Haut meiner Mutter nach Knochen graben? Wenn ich dann sterbe, wird sie mich nicht an ihre Brust nehmen, damit ich dann ruhen kann.“ (Medizinmann Smohalla, 19. Jhdt.)

Dies sind nur einige Zitate, die mir als Frau und Feministin und spirituelle Schülerin aus der Seele sprechen. Hier trifft sich die ökologische, die spirituelle und die Frauenbewegung. Meine indische Meisterin, Mata Amritanandamayi, hat im Jahre 2002 eine geniale Rede anlässlich der weltweiten Friedensinitiative führender spiritueller Frauen in Genf gehalten. Es gibt meiner Meinung nach keine bessere Analyse der Rolle der Frauen und der Männer in der heutigen Zeit. Daher fasse ich hier die schönsten und treffendsten Punkte dieser Rede zusammen und beantworte damit wohl am besten, warum unser Zentrum jetzt ein Trotula-Logo„Frauen- und Männergesundheitszentrum“ geworden ist:


* „Frauen und Männer sind wie die zwei Schwingen eines Vogels und ohne eine völlige Ausgewogenheit dieser zwei Aspekte kann sich die Menschheit nicht weiterentwickeln. Tief im Inneren jeder Frau existiert ein Mann und tief im Inneren jedes Mannes eine Frau. Das wahre Menschenwesen wird erst hervorkommen, wenn sich die weiblichen und männlichen Eigenschaften in einem Gleichgewicht befinden.

Gegenwärtig schlafen die meisten Frauen. Sie müssen erwachen und in Aktion treten. In Ländern, wo der Materialismus überwiegt, sollten die Frauen zur Spiritualität erwachen. Und wo sie unter Zwang stehen, innerhalb den engen Grenzen religiöse Tradition zu verharren, sollten sie zu modernen Denken erwachen. Das unendliche Potential in Männern und Frauen ist das gleiche, aber die größte Stärke der Frauen liegt in ihrer schöpferischen, lebensspendenden Kraft. Diese Kraft kann Frauen helfen, einen weit bedeutenderen Wandel in der Gesellschaft herbeizuführen, als Männer es je könnten.

Im alten Indien sprach der Gatte seine Frau mit dem Sanskritwort Pathni an, das heißt, diejenige, die den Gatten durchs Leben führt, oder mit Dharmapathni, diejenige, die ihrem Mann auf dem Pfad des Dharma, der Rechtschaffenheit, lenkt. In jedem Mann besteht ein verstecktes Verlangen, wieder von bedingungsloser Mutterliebe umhüllt zu sein. Das ist einer der subtilen Gründe für die Anziehungskraft, die sie Frauen gegenüber verspüren — weil ein Mann aus einer Frau geboren wurde.

Das Grundprinzip der Mutterschaft ist so umfassend und gewaltig wie das Universum. Mit dieser Kraft in sich kann eine Frau die ganze Welt beeinflussen. Liebe und Mitgefühl erwachter Mutterschaft gelten nicht nur den eigenen Kindern, sondern allen Menschen, Tieren, Pflanzen, Felsen und Flüssen.

Auch Männer haben sehr unter der Verbannung des femininen Prinzips aus der Welt gelitten. Wegen der Unterdrückung der Frauen und des weiblichen Aspekts in den Männern ist ihr Leben unvollständig und oft schmerzhaft geworden. Auch für Männer gibt es die Notwendigkeit, ihre weiblichen Eigenschaften zu wecken.musiker-02

Es gibt einen tiefen Zusammenhang zwischen der Art und Weise, wie Männer Mutter Natur zerstören und ihrer Haltung gegenüber Frauen. Die Natur sollte in unseren Herzen die gleiche Bedeutung haben wie unsere leibliche Mutter. Was die heutige Welt wirklich braucht, ist ein Zusammenwirken zwischen Männern und Frauen. Kriege und Konflikte, alle Leiden und der Mangel an Frieden werden sich mit Sicherheit deutlich vermindern, wenn Frauen und Männer miteinander kooperieren und sich gegenseitig unterstützen.“

Und zum Abschluss noch eine Bemerkung zu den Lichtzentren, die wir bilden sollen. Die Hopi sagen:

Der spirituelle Weg ist der Weg des Herzens, nicht der des Verstandes. Alle Menschen haben die Wahl, ob sie das Leben samt seinen Bedingungen und damit die Ordnung des Schöpfers zerstören oder erhalten wollen. Dazu gehören Respekt und Ehrfurcht vor allem, was existiert — weil wir als Teil des großen Ganzen keine Vorrechte haben.

Leben ist unkontrollierbar, ein undurchschaubares, immer wieder neu faszinierendes und beglückendes Geheimnis. Es bedeutet: sich einfach fallen lassen können — im Vertrauen auf die Kraft, die uns alle trägt.

Wenn wir wirklich in diesem Sinne leben wollen, werden wir nicht umhin kommen, zuerst uns selbst und unser hektisches, aufwändiges, umweltzerstörerisches Leben radikal zu ändern: jede und jeder auf ihre, auf seine Weise.

Es ist nötig, viele Orte des Lichts und der Heilung vorzubereiten und Menschen dafür zu finden. Die wichtigste Vorkehrung ist, eine Haltung der Stille und des Friedens zu erreichen, zu der eine stete Arbeit an sich selbst gehört.

Inseln der Ruhe inmitten einer geschäftigen und ängstlichen Welt sein und die Verbindung untereinander, vor allem auf der unsichtbaren Ebene halten — das ist erforderlich, das sendet Impulse lebensbejahender Kraft aus, die der Zerstörung entgegenwirkt.“

Das Trotula-Zentrum war immer ein solcher Ort!


Quellen:

Alexander Buschenreiter „Unser Ende ist euer Untergang“

William Arrowsmith und Michael Korth „Die Erde ist unsere Mutter“

Sri Mata Amritanandamayi Devi „Das Erwachen universeller mütterlicher Liebe“ www.amritapuri.org Extrafenster